Camerata Zürich, Thomas Demenga, Thomas Sarbacher – Lucerne Festival, Kirche MaiHof – 20. August 2017

Identities 3
Camerata Zürich | Thomas Demenga | Thomas Sarbacher

SUN, 20.08. | 16.00 | Nr. 17316
Kirchensaal MaiHof


Camerata Zürich (Igor Karsko, Musikalische Leitung)
Thomas Demenga Violoncello
Thomas Sarbacher Sprecher

Josef Suk (1874–1935)
Meditation über den altböhmischen St.-Wenzels-Choral op. 35a
Antonín Dvořák (1841–1904)
Waldesruhe op. 68 Nr. 5
Rondo g-Moll für Violoncello und Orchester op. 94
Slawischer Tanz g-Moll op. 46 Nr. 8 (bearbeitet für Violoncello und Orchester)
Leošs Janáček (1854–1928)
Auf verwachsenem Pfade
bearbeitet für Streichorchester von Daniel Rumler
Texte von Maïa Brami

https://www.lucernefestival.ch/de/programm/camerata-zurich-thomas-demenga-thomas-sarbacher/451

Die Camerata Zürich mit Konzertmeister Igor Karsko öffnete das schwermütig böhmische Programm mit Suks Hymne, danach folgten drei zu einer Suite zusammengefügte Stücke Dvoráks, für die Thomas Demenga, der künstlerische Leiter der Camerata, als Solist am Cello dazustiess. Beim slawischen Tanz wippten die Köpfe und zuckten die Beide in der Reihe vor mir … das war wohl der Rock’n’Roll der 70-80jährigen Damen – so weit halt, wie Rebellion gehen mochte. Meint man, einen etwas spöttischen Unterton herauszuhören, dann ist das ganz recht, denn das war zwar alles mit Gusto gespielt, sowohl vom Solisten wie auch vom kleinen Streichorchester (Besetzung: 5-4-3-3-1), aber auch arg gefällig und glatt in seiner eher dick- als heissblütigen Sentimentalität. Danach ging es – keine Pause, immerhin – direkt mit dem Hauptwerk weiter, der Erstaufführung eines Arrangements von Janáčeks „Auf verwachsenem Pfade“ (bearbeitet für Streichorchester von Daniel Rumler, der auch mitspielte) mit Texten von Maïa Brami (wer sie ins Deutsche übertragen hat, wird überall hartnäckig verschwiegen, soviel zum Wert des Übersetzens in unserer zunehmen monolingualen Welt, ein Jammer). Die Musik war ganz in Ordnung, aber mit den Texten konnte ich leider beim besten Willen nicht sehr viel anfangen. Sie beziehen sich auf den biographischen Hintergrund, den Janáček ja selbst (nach)geliefert hatte. Doch der Vorteil der Musik ist ja gerade, dass sie absolut ist (was übrigens auch ganz klar für Holligers Violinkonzert gilt, das hebt er auch hervor in seinem Kommentar). Das Eindampfen auf biographische Episoden und der nicht gelungene Wechsel von der Metapher (er – also Janáček – findet eine Rose – die 37 Jahre jüngere Kamila Stösslová, in die er sich verliebte – die ihm Glück verspricht, solange er sie nicht pflückt … was für tolle Metaphern, n’est-ce pas?) bzw. vom Märchen zum simpel erzählten, dem ein paar Wiederholungen, von Thomas Sarbacher immerhin toll vorgetragen, auch nicht helfen, wenn es um „Poesie“ geht … das ist in meinen Augen ziemlich missglückt. Zum einen, weil es eben das Absolute, die Musik, zurückbindet an konkrete biographische Episoden (Janáček habe sich die Lungenentzündung, an der er auch starb, eingefangen, als Stössels Sohn Otto im Wald verloren ging, das löst dann Gedanken aus an seine frühverstorbene Tochter Olga, seine angeblich erste Kindheitserinnerung, wie er vor einem Brand gerettet werden musste, fehlt auch nicht). Damit wird der Blick übermässig eingeengt und es fällt im konstanten Wechsel von Text und Musik schwer, ihn für die kurzen Stücke wieder zu öffnen. Zum anderen fand ich die Texte aber auch von der literarischen Qualität her eher dürftig. Es gelang wie schon angetönt nicht, ein Märchen zu erzählen, dazu war der Ton nicht (vermeintlich) naiv, das ganze nicht lakonisch genug. Die Poesie war dann eben leider Erinnerungsalbumpoesie und keine verknappte, verklausulierte, die – statt einfach Episoden zu erzählen – neue Bezugsräume geöffnet hätte (und das wäre, so fand ich, die Herangehensweise für ein solches Projekt gewesen, die man hätte ausprobieren sollen – knappe Wortfetzen, Fragmente, vieldeutig und doch klar, die nicht vorspuren, was man danach hört sondern im Gegensatz anregen dazu, in ganz verschiedene Richtungen zu hören und zu denken).

Aber gut, den Leuten schien es sehr gut zu gefallen und vielleicht ist das die Nische, in der die Camerata sich im übersättigten Markt von Zürich eingerichtet hat, ich weiss es nicht. Die Programme des Ensembles kamen mir bisher spannender vor, aber gehört habe ich sie gestern zum ersten Mal. Betonen möchte ich nur noch einmal, dass es an der Spielqualität nun aber überhaupt nicht mangelte.

Teil 1 des Berichtes vom Lucerne Festival am 20. August 2017

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