20:15 Werkstattkonzert 1. Set
Urs Leimgruber – Saxophon
Pascal Marzan – Gitarre
21:00 Werkstattkonzert 2. Set
Devin Gray – Schlagzeug
Eve Risser – Klavier
Miles Perkin – Bass
Gestern Abend mein letztes Jazzkonzert vor der überlangen Sommerpause – die auch dieses Jahr durch das Météo in Mulhouse
etwas verkürzt wird (es scheint leider zur Tradition zu werden, dass
ich den Eröffnungsabend verpasse, dieses Jahr u.a. Evan Parker/Matthew
Shipp, was mich schon sehr interessieren würde; letztes Mal lag es an
zuwenig Urlaub, dieses Mal immerhin wegen „L’Orfeo“ unter Gardiner in
Luzern). Es gab zwei frei improvisierte Sets von wohl einer
Dreiviertelstunde Dauer, beide gut gelungen, beide von Combos, die wohl
noch nicht oft zusammengespielt haben (beim Trio im zweiten Set bin ich
nicht sicher, ob das nicht das erste Mal überhaupt war, Devin Gray lud
ein und wählte die beiden anderen aus, wie es schien).
Im ersten Set traf der Luzerner Klangalchimist Urs Leimgruber (den ich skandalöserweise tatsächlich nach wohl über einem Dutzend Jahren erst zum zweiten Mal live hörte) auf Pascal Marzan
aus Paris. Die beiden steigen den Klängen nach, noch den feinsten,
leisesten. Das tun sie mit Beharrlichkeit und einer guten Prise Humor.
Marzan spielt eine akustische Gitarre, in die er ein kleines Mikro
klebt, damit auch die ganzen Präparierungen, die er vornimmt, gehört
werden können. Er schiebt Dinge zwischen Griffbrett und Saiten wie auch
und unter die offenen Saiten, traktiert diese mit verschiedenen
Gegenständen, wendet aber ebenso – auch in Kombination mit Präparationen
– Flamenco- und klassische Spieltechniken an. Leimbgruber stopfte sein
Sopransaxophon mit einem Dämpfer, der wie ein angepasster
Trompetendämpfer aussah, was bei hohen Tönen einen leichten
Verfremdungseffekt hat, vor allem bei vollständig geschlossenen Klappen
jedoch einen speziellen Effekt bringt, den er da und dort auch quasi zum
Dialog mit sich selbst, zur Antwort auf offene Linien in höheren Lagen,
einsetzte. Am Tenor nahm er auch mal das Mundstück ab, blies in den
Bogen, nahm auch diesen ab, hielt ihn mit kleiner Distanz vor die Lippen
und spielte mit Luftströmen, die brachen und ganz leise Klänge
erzeugten. Auch für das Tenoraxophon verfügt er über einen Dämpfer. Was
er mit den beiden Instrumenten alles anstellt, ist jedenfalls
phänomenal, dass er – durch die Om-Reunion, soweit ich weiss – auch das
kraftvolle tonale Spiel wiederentdeckt hat und auch dieses einbaut, was
nahtlos und völlig organisch gelingt, erweitert die Klangpalette noch
zusätzlich. In Marzan (den ich davor nicht einmal dem Namen nach kannte)
hat er einen kongenialen Partner gefunden, der mir nur da und dort
etwas konventionell schien, insgesamt aber sehr schön zu Leimgruber
passte. Hier gibt es ein interessantes Interview und diverse Hörproben
von Marzan:
http://preparedguitar.blogspot.ch/2015/02/pascal-marzan-13-questions.html
Nach der Pause gab es dann ein Trio mit Eve Risser am präparierten Piano, Miles Perkin am Kontrabass und Devin Gray
am Schlagzeug. Das Trio sass im ersten Set im Publikum und hörte zu,
das Duo tat im zweiten Set dasselbe – um sich zu vergegenwärtigen, wie
die WIM (Werkstatt für Improvisierte Musik) aussieht: im Regelfall sind
da zwei bis maximal drei Stuhlreihen von etwa 8-10 Stühlen, in der Regel
sind einige von ihnen leer. Tagsüber und auch an den meisten Abenden
proben hier lokale Musiker, ein bis zweimal wöchentlich finden Konzerte
statt, es gibt regelmässige Reihen (z.B. von Saxophonist und Bandleader Omri Ziegele und seinem Langzeitprojekt Billiger Bauer oder von Drummer Heinz Geisser,
den man vielleicht von den Alben des Collective 4tet auf Leo kennt).
Oft sitzen denn auch andere Musiker im Publikum und hören, was ihre
Kollegen aushecken. Immer wieder sind aber auch Gäste aus der halben
Welt da, wie eben auch gestern Abend, als der amerikanische Drummer
Devin Gray mit der Elsässerin Eve Risser und dem Kanadier Miles Perkin
(derzeit wie es scheint in Berlin domiziliert und auch an Schaubühne
tätig ist und – wenig überraschend, wenn man ihn spielen sieht – auch
als Tänzer arbeitet) ein Trio bildete. Präparationen gab es natürlich
noch mehr, Risser hatte wohl zwei Dutzend kleinere und grössere
Gegenstände im Flügel verteilt, die sie immer wieder umarrangierte,
während sie die Tasten bearbeitete oder mit verschiedenen Schlägeln die
Saiten im Innern des Instruments bearbeitete. Gray spielte über weite
Strecken mit Besen, schnappte sich manchmal auch kleine Glöcklein,
lauschte wie auch Risser und zuvor das Duo den Klängen nach, schien sich
für eine Weile fast im Schlagzeug verkriechen zu wollen. Sein Spiel war
(neben Marzan) die Entdeckung des Abends, erscheint es doch zugleich
sehr locker und total kontrolliert, frei und doch oft auch mit einem
mitreissenden Puls, um nicht von Groove zu reden. Das Trio erzeugte
nicht die hochkonzentrierte, durchaus als Zumutung zu bezeichnende
Dichte des ähnlich gelagerten Trios „en corps“ mit Risser, Benjamin
Duboc und Edward Perraud (das neue Album ist wohl mein Album des Jahres
und das erste wäre es vor ein paar Jahren auch gewesen, wenn ich es
gekannt hätte), da war viel mehr Luft, auch das in der Tat tänzerische
Spiel von Perkin öffnete Räume. Risser hielt sich über weite Strecken
zurück, wobei mir nicht ganz klar war, ob sie darauf wartete, dass die
anderen in einen allmählichen Steigerungslauf einfallen würden,
jedenfalls gab es erst im letzten Drittel Passagen, in denen ihr Spiel
sich verdichtete und auch mal laut wurde, inklusive ganze Unterarme auf
der Tastatur, was das Arsenal im Innern des Flügels in nervöse Unruhe
versetzte. Ein schönes, nicht überragendes Set.
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