Darius Jones (as), Aruán Ortiz (p), Mark Helias (b), Nasheet Waits (d)
Ziemlich tolles Konzert gestern Abend mit dem Quartett von Nasheet Waits. Das erste Set öffnete mit einem Stück von Andrew Hill und ging dann nahtlos in drei weitere Stücke über. Waits sagte am Schluss die Stücke und die Musiker an und machte noch ein paar Minuten Standup-Comedy (er erzählte was über Blaxploitation-Filme von Sidney Poitier, frotzelte über seine Band, die als Stichwortgeber diente). Die Musik war ziemlich explosiv, immer wieder verdicht, ein Auf- und Abschwellen von Intensität bis hin zum lichterlohen Brand. Daran hatte auch Darius Jones einen grossen Anteil, desser Horn weniger als zwei Meter vor mir war, Waits zur Rechten, Ortiz am Baby Grand links, Helius hinter Jones (und hinter Jones heisst, man sieht nicht mehr viel … aber ab der Mitte des Sets stand Jones dann jeweils etwas zur Seite, wenn er nicht spielte.
Das ganze hatte durchaus altmodische Züge, ich dachte öfter – nicht nur wegen des Hill-Openers – an die Klassiker der Blue Note-Avantgarde der Sechzigerjahre (Hill eben, mit dem ja auch Freddie Waits gespielt hat, aber auch Jackie McLean). Zugleich ist das aber Musik aus dem Hier und Jetzt, und diese Verbindung funktionierte hervorragend. Was mir gestern – beim zweiten Konzert mit Waits nach Tarbaby feat. Oliver Lake vor ein paar Jahren ebenfalls im Moods – erstmals so richtig auffiel: wie viel von Max Roach in seinem Spiel steckt. Da ist das stark auf die Trommeln ausgerichtete Spiel, die Snare im Zentrum, alles irgendwie vertikal, aber niemals ein Durchmarschieren – da kommt dann die Gegenwart ins Spiel – sondern ein permanentes Spiel mit dem Puls, Be- und Entschleunigungen, Verschleppungen, Breaks, und das alles oft während der Puls doch regelmässig weiterläuft, was zu sehr tollen Effekten führt. Ähnliches passiert dann auch noch auf dem Level der ganzen Band. Und so fand ich letzten Endes auch das Trio besser als jenes von Ortiz auf dem Intakt-Album (mit Revis/Cleaver), weil viel mehr unklar blieb oder offen gelassen werden konnte, mehr Möglichkeiten entstanden. Die Intakt-Crew war natürlich vor Ort, um ihren Musiker anzuhören. Was die Roach-Connection betrifft, so bezeichnet Waits ihn auf seiner Homepage ja als „Mentor“, und es war auch Roach, der ihm mit M’Boom seinen ersten wichtig Gig gab.
Jones fand ich sehr eindrücklich, auch wenn es wohl in erster Linie seine Präsenz war, die das Quartett auch zur Post-Coltrane-Gruppe macht. Er hat einen tollen Sound am Altsax, schwer und intensiv, spielt oft mit kleinen Melodiefetzen, die er wiederholt, aufstapelt, dabei die Intensität steigert und das dann irgendwie wieder auflöst oder auch einfach stehen lässt und aussetzt. Ortiz gefiel mir alles in allem recht gut, aber auf die grosse Offenbarung warte ich weiterhin. Mag sein, dass er da und dort ein paar schöne Voicings einstreute, aber alles in allem fand ich ihn auch live recht brav. Ein einziger wilder Ausbruch kam mir etwas unmotiviert vor – und spannender wurde dadurch gar nichts. Aber in der Gruppe funktionierte er ziemlich gut. Mark Helias spielte toll, aber leider mit einem hässlichen Schmiere-Sound (es standen sowieso viel zu viele Mikrophone herum, das Schlagzeug hätte man gewiss nicht verstärken müssen, der Flügel war dann wiederum etwas zu leise, für Jones war das Mikro hilfreich, da er seinen Ton damit vielgestaltig einsetzen konnte, ohne unterzugehen sobald Waits zulangte).
Im zweiten Set gab es dann auch wieder zwei aneinandergehängte Stücke – das klappte sehr gut, ohne dass daraus Suiten oder sonstwas Prätentiöses wurde, die Spannung blieb, einer der vier machte halt jeweils quasi aus dem verklingenden Schluss weiter oder begann mit dem Riff, das ins nächste Stück überleitete. Waits meinte später in einer Ansage auch, sie hätten dieses uns jenes Stück als Ausgangspunkt benutzt (und nicht etwa: wir haben Stück 1 und Stück 2 gespielt). Das wirkte alles sehr spontan, obwohl Jones und Helias Noten dabei hatten und auch darin blätterten. Aus dem einen ergab sich das nächste und der Flow der beiden Sets war toll. Im zweiten folgte dann eine Ballade (aus Jones‘ Feder glaube ich – die Stücke waren fast alles Originals der Band), danach noch zwei aneinandergehängte Stücke, das zweite davon wieder kein Original, nämlich „KoKo“, Charlie Parkers halsbrecherische Variante über „Cherokee“.
Ohne Zugabe konnten die vier natürlich nicht gehen, und auch die war toll. Es war in der Tat faszinierend, einen ganzen Abend lang Nasheet Waits beim Spielen zuschauen und zuhören zu können. In ruhigeren Passagen schien es manchmal, als würde Waits seine Hände überhaupt nicht bewegen (die Arme sowieso nicht), auch wenn die Stöcke nur so über die Snare flogen. Sein explosives und doch so klares, durchsichtiges Spiel beeindruckte mich sehr. Auch in harten, einfachen Beats ist er zuhause, man könnte da wohl Linien ziehen und seinen Vater Freddie Waits als Bezugspunkt proklamieren; Michael Carvin kenne ich zuwenig, aber ihn nennt er ja auch als wichtige Inspiration. Darüberhinaus gibt es aber auch Beats wie auf Miles Davis‘ „Jack Johnson“ oder wie Clyde Stubblefield und Melvin Parker sie bei James Brown spielten.
Dazu passt dann auch, dass ich ev. als nächstes in zwei Wochen ans Konzert von Defunkt gehe. Der Start ins Jazzjahr ist auf jeden Fall schon einmal bestens geglückt.
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