Freitagabend gab es wieder einmal ein Jazzkonzert in der Roten Fabrik – leider hat die Kadenz in den letzten Jahren ziemlich abgenommen. Eine schöne Überraschung gab es schon beim Eintreten in den Clubraum: vor der eigentlichen Bühne war mit niedrigen Podesten eine improvisierte Bühne aufgebaut worden, von einem kleinen Bass-Verstärker abgesehen weit und breit keine Elektronik. Wogram meinte denn später auch, dass er in kleineren Räumen am liebsten unverstärkt spielt.
Das Line-Up der Band, die schon seit vielen Jahren zusammenspielt, ist: Nils Wogram, tb, melodica; Hayden Chisholm, as; Matt Penman, b; Jochen Rückert, d. Das Material stammte vornehmlich vom neusten Tonträger des Quartetts, „Luxury Habits“, den es danach neben anderen älteren CDs der Gruppe auch käuflich zu erwerben gab (ich kaufte noch zwei weitere Alben und erhielt – eine Art Abschiedsgeschenk für einen Stammkunden wohl – ein Exemplar der Matthew Shipp-Solo-CD auf hatOLOGY geschenkt, die letztes Jahr am Taktlos aufgenommen wurde – auf das Wiederhören bin ich gespannt).
Wogram hatte ich schon ein paar Male – zu selten, aber dennoch – im Konzert gesehen und wusste in etwa, was mich erwarten würde, doch Chisholm erlebte ich zum ersten Mal und war nach der Vorarbeit eines Freundes, der mir seine Musik schon seit längerem ans Herz legt, enorm gespannt. Wahnsinn, sein Ton! Ein Paul-Desmond-Mann, aber natürlich ganz ohne dessen stilistische Scheuklappen, völlig offen, manchmal dachte ich auch rasch an Lee Konitz (wenn Chisholm den Ton mal etwas spröder werden liess) oder an Michael Moore, den anderen jüngeren Altsaxer, der einen ähnlichen, ebenso sehr eigenständigen und sehr lyrischen Stil geschaffen hat. Die Musik des Quartetts schien mir zunächst etwas überkomplex, die Jungs hatten Notenständer dabei und brauchten die Noten auch wirklich, um ihre vertrackten Musik mit sprunghaften Linien und zickigen Rhythmen spielen zu können. Doch nach ein, zwei Stücken wich die Spannung und es wurde klar, wie vertraut die vier miteinander sind, wie blind sie sich aufeinander verlassen können, auch in den schwierigsten Momenten. Nach einem erfolgreich zu Ende gebrachten Stück im schnellen 7/8 atmeten die vier allerdings hörbar auf – sie hatten wohl Angst, die Themenreprise könnte am Ende doch noch in die Hose gehen.
Die Soli waren so konzis wie die Stücke selbst, oft kurz gehalten, durchaus anspruchsvoll, aber besonders von Chisholm mit einer beeindruckenden Nonchalance abgeliefert. Der Mann spielte mit dem betörendsten Ton die unglaublichsten Linien – und wirkte dabei fast ein wenig desinteressiert. Wogram sang in seine Posaune, spielte auch einmal ein langes Solo-Intro, das Albert Mangelsdorff zur Ehre gereicht hätte, es gab Vierteltöne, feine Dissonanzen, die aber stets aufgefangen und eingebunden wurden in das dichte Geflecht. Matt Penman am Bass war wohl eher noch der Anker als Rückert, der zwar nie laut wurde, aber kein Problem damit hatte, auch im unverstärkten Rahmen sehr abwechslungsreich zu spielen – ohne dass man je das Gefühl hatte, er müsse sich im Zaum halten. Vor dem letzten Stück des zweiten Sets las Chisholm die drei letzten der Sonnette aus dem Booklet der aktuellen CD (Ahmad Shabo hat für jedes der neun Stücke eines geschrieben). Das Publikum – in dem wohl einige Freunde Wograms sassen, er lebt ja schon länger in der Gegend – liess die vier nicht ohne eine Zugabe gehen, und so spielten sie den launigen „Rusty Bagpipe Boogie“ (zu finden auf der Blues-CD „Listen to Your Woman“, die ich ebenfalls gekauft habe, als dritte gab es noch „Wise Men Can Be Wrong“, ein Standards-Programm).
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