Elina Duni & Jean-Paul Brodbeck - Zürich, 10. Juni 2016

Elina Dunis Gesang berührt mich seit Jahren wie keine andere aktuelle Stimme des Jazz. Bisher hörte ich sie im Konzert stets mit ihrem Quartett, in dem sie eine symbiotische Beziehung mit ihren Begleitern eingeht, darunter der Lausanner Pianist Colin Vallon, ebenfalls einer der mir wichtigsten Jazzmusiker der letzten Jahre.

Dass sie nun im Duo mit Jean-Paul Brodbeck am Klavier auftreten würde - und nicht mit Vallon - sorgte daher zunächst für Stirnrunzeln, dass "A Tribute to Billie Holiday" angekündigt war für gewisse Bedenken: Kann das denn gutgehen? Die Antwort, in Kürze: Ja, es kann!

Das Konzert fand in der Wohnung eines Freundes statt, der mit seinen Stubenkonzerten seit ein paar Jahren Grossartiges leistet (*). Auf engstem Raum drängten sich mehr Leute als je zuvor, manche von ihnen kommen immer wieder, obwohl sie nicht wissen, was sie jeweils erwartet - umso schöner, wenn der Abend sich als so wundervoll entpuppt.

Duni sass neben dem Klavier, vor sich ein Mikrophon mit einem kleinen Verstärker - nicht unpassend, denn war es nicht gerade Billie Holiday, die als erste Jazzsängerin verstand, wie das Mikrophon zu einer ganz neuen Intimität führen konnte, wenn man es richtig einsetzt? Intim war der Rahmen sowieso. Mit den Texten der Lieder, die Duni ganz wie das grosse Vorbild ernst nimmt, gepaart, fühlte es sich manchmal nahezu verboten an - als erlebe man eine Darbietung, die gar nicht für Publikum gedacht war sondern klandestin, verborgen hinter Mauern stattfinden sollte. So wurde aus dem Konzert ein rite de passage: Duni und Brodbeck führten das Publikum ein in ihre innige Kunst, deren Wirkung eine nahezu Erotische ist - eine äusserst sinnliche Erfahrung mit dem Ergebnis einer Einheit von Körper und Geist (und Seele, so man an sie zu glauben geneigt ist) - die pure Glückseligkeit, in der man aufgeht. Worte kommen abhanden, Gedanken müssen mühsam - und mehr denn widerwillig, denn das bedeutet ja, man tritt wieder in die normale Sphäre zurück - gebündelt werden.

Die Höhepunkte des Konzertes zu benennen ist müssig, Duni und Brodbeck - ein exzellenter comper, in dieser Rolle sichtlich aufging, aber auch immer wieder als feiner Solist zu hören war - legten los und spätestens beim zweiten Song hatten sie die gebannte Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Die Songs stammten zunächst alle aus dem Repertoire von Holiday. Da waren "Solitude", "I'll Be Seeing You" oder "Gloomy Sunday", der "Hungarian suicide song". "I Cover the Waterfront" erklang in einem raffinierten Arrangement, das vom 4/4 in einen 6/8 wechselte - die Liebe zu diesem Song teilte Holiday sich übrigens mit Lester Young, mit dem sie einige der schönsten Aufnahmen des Jazz machte. Mit einer berührenden Version von "I'm a Fool to Want You" kam, wie Duni danach sagte, der Punkt, an dem alles endet. Stop. Es folgte zum Abschluss eine heiterere Note mit "The Ballad of the Sad Young Men" (mit einem bemerkenswerten Text von Fran Landesman, die meinte, es gehe im Lied um "drifting through the town, drinking up the night, trying not to drown").

Als Zugabe erklang dann Shirley Horns "Here's to Life" wie passend! Aber noch passender die Ansage, in der Duni eine anscheinend auf Youtube zu findende Version erwähnte, in der Horn nach der Amputation eines Fusses nicht mehr selbst Klavier spielte - aber immer noch das Leben besingt:
I had my share
I drank my fill
And even though I'm satisfied
I'm hungry still
To see what's down another road
Beyond the hill
And do it all again
Here's to life! Here's to Elina Duni! Here's to Jean-Paul Brodbeck! Danke für diesen bezaubernden Abend. C'était vraiment sublime!

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*) mehr zu Sternstunden, denen ich im gleichen Rahmen beiwohnen durfte: Ray Anderson, Gerry Hemingway & Omri Ziegele, zuletzt Nicolas Massons "Parallels" mit Colin Vallon, ebenso ein ausgelagertes Konzert mit Flo Stoffner und Paul Lovens. Auch Christian Weber solo und ein paar weitere Konzerte hörte ich da, doch Webers Auftritt stand etwas im Schatten eines grandiosen Auftrittes vom Vorabend - mit Colin Vallon notabene.

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