Musikalische Leitung: William Christie
Inszenierung: Andreas Homoki
Bühne: Hartmut Meyer
Kostüme: Mechthild Seipel
Lichtgestaltung: Franck Evin
Choreographische Beratung: Katrin Kolo
Choreinstudierung: Jürg Hämmerli
Dramaturgie: Werner Hintze, Fabio Dietsche
Médée: Stéphanie D’Oustrac
Jason: Reinoud Van Mechelen
Créon: Nahuel Di Pierro
Créuse: Mélissa Petit
Oronte: Ivan Thirion
L’Amour, Captif de l’Amour, Premier Fantôme: Florie Valiquette
Nérine: Carmen Seibel
Arcas, Second Corinthien, La Jalousie: Spencer Lang
Un Argien, La Vengeance: Roberto Lorenzi
Une Italienne: Sandrine Droin
Premier Corinthien, Un Argien, Un Démon: Nicholas Scott
Cleone: Gemma Ni Bhriain
Deuxième Fantôme: Francisca Montiel
Cembalo: Paolo Zanzu
Laute: Brian Feehan, Juan Sebastian Lima
Cello: Claudius Herrmann
Gambe: Martin Zeller
Violone: Dieter Lange
Orchestra La Scintilla
Chor der Oper Zürich
Mitglieder von Les Arts Florissants
Phänomenale Sache gestern, „Médée“ von Marc-Antoine Charpentier im
Opernhaus Zürich. Mit der Inszenierung, der Bühne, konnte ich mich nicht
umgehend anfreunden. Christian Wildhagen hat sich in der NZZ
sehr kritisch zu Homokis Arbeit bei dieser Oper geäussert, doch mir
haben die Inszenierungen der „Divertissements“ (sie sind es, die
Wildhagen nicht mochte) einigermassen eingeleuchtet, am Ende fand ich
das alles sehr stimmig und durchaus aus einem Guss.
Ansonsten: phantastische Musik, bei der Wort und Musik sich die Waage
halten, bei der jeder Schnörkel der Singstimmen dem Text dient – und
nicht etwa der Betonung von gesanglichen Qualitäten. Letztere sind
allerdings gerade von grösster Bedeutung – und nach der etwas
zweifelhaften Diktion einiger Stimmen beim „Don Carlo“ neulich in
Mailand (mein Bericht versteckt sich hier):
Was für ein riesiger Genuss, eine Oper zu hören, in der alle der
französischen Sprache mächtig sind, perfekt idiomatisch vom Anfang bis
zum Schluss! Kleinere Probleme der Diktion, eine gewisse
Unverständlichkeit nimmt man ja alle Tage in Kauf, wenn man in die Oper
geht; ich bin längst darauf eingestellt, da und dort etwas Nachsicht
walten zu lassen – umso mehr war es wie ein Schlag ins Gesicht gestern:
einfach perfekt, bis ins Detail.
Stéphanie d’Oustrac hat die Rolle der Medea wahrlich absorbiert, eine
ebenso beeindruckende Sängerin wie Schauspielerin, die schon länger mit
William Christie arbeitet. Die kleineren Hauptrollen waren ebenfalls
überzeugend besetzt, Reinoud Van Mechelens hoher Tenor war immer wieder
bezaubernd, auch Nahuel Di Pierro, Mélissa Petit und Ivan Thirion
überzeugten, ebenso die verschiedenen kleinen Rollen. Beeindruckend auch
einmal mehr Chor und La Scintilla, von Christie teils vom Cembalo aus
geleitet (es gab daneben im Graben ein zweites Cembalo und auch eine
kleine Orgel – leider konnte ich nur in der Pause kurz runterblicken,
ansonsten sah ich nur wenig vom Orchester). Das Orchester wurde v.a. in
den Bläsern durch einige Zuzüger verstärkt, der Chor durch eine „haute
contre“-Sektion von Christies Les Arts florissants. Gerade der Chor
beeindruckte mich einmal mehr, er hat ordentlich was zu tun bei dieser
Oper und auch das klappte stets bestens.
Die Bühne war zweistöckig eingerichtet, wobei die obere Etage
manchmal ganz nach oben gezogen, öfter so weit heruntergefahren wurde,
dass sie quasi zu einer Stufe wurde. Dahinter gab es noch einen Raum,
der allerdings nur für Auf- und Abgänge verwendet wurde, doch das war
alles sehr einfach, grafisch auch in der farblichen Ausstattung.
Stéphanie d’Oustrac beherrschte die Bühne förmlich, kaum tauchte sie auf
(und sie war fast immer da) – eine enorme Präsenz und Ausstrahlung. Man
merkt der Oper an, dass Charpentier die Figur der Medea wohl
ursprünglich mochte – sie kriegt immer wieder unglaublich schöne Musik,
ist überhaupt Herz und Zentrum der Oper. Mir ging es so, dass ich viel
eher auf ihrer Seite war – auf der Seite der Schwarzen (und
dunkelhaarigen), nicht auf der Seite der stets hell gewandeten (und
passenderweise auch noch blonden) Créuse, die für ihr Schicksal wohl
nicht viel kann, aber dennoch nicht sympathisch wird – auch nicht im
musikalisch überaus betörenden Liebesduett mit Jason.
Ergänzung: das Piano, das Pianissimo immer wieder – die Oper Zürich
ist ja zum Glück recht klein (ich war dennoch froh um mein kleines
Fernglas, um d’Oustrac auch aus der Nähe sehen zu können – Wahnsinn,
diese Frau!) und es ist problemlos möglich, zwei Stimmen und ein paar
hingetupfte Cembalo-Töne ganz leise in den Raum klingen zu lassen. Die
Intimität, die gestern dadurch erzeugt wurde, hatte oft etwas fast schon
Voyeuristisches, Übergriffiges: Man sieht und hört und fühlt etwas, das
einen eigentlich überhaupt gar nichts angeht. So zumal der erzeugte
Eindruck. So richtig laut wie beim Züricher „Don Carlo“ im letzten
Herbst wurde es natürlich bei Charpentier nicht, aber wie Christie mit
der Dynamik, der Lautstärke gearbeitet hat, war unglaublich
eindrücklich. Die Spannung wurde gerade in den leisen Momenten oft nicht nur gehalten sondern gesteigert. Es ist dies wohl auch der Hauptunterschied zu den
CD-Einspielungen (auch von Christie, er hat deren zwei gemacht und
insgeheim wünsche ich mir eine dritte mit d’Oustrac – oder doch lieber
eine Film-Produktion davon, keine Ahnung, ob in Zürich Kameras liefen,
gestern jedenfalls nicht, aber zu wünsche wäre es), denn diese
Differenzierungen kriegt man daheim einfach nicht hin bzw. sie würden
einen nur aufregen, weil man die ganze Zeit am Lautstärkenregler drehen
müsste, um nicht die Wände einstürzen zu lassen oder um überhaupt etwas
hören zu können.
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